Für Meinungsfreiheit kämpfen heißt nicht, Blödsinn unwidersprochen zu lassen
Nachdem ich das vierte Mal als Referent der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Südkaukasus teilgenommen habe, geht es diesmal im Blog um die Meinungsfreiheit:
Wenn wir zum Beispiel über Meinungsfreiheit in Armenien reden, dann geht es darum, dass Seminarteilnehmer zusammengeschlagen werden, dass Demonstranten aus politischen Jugendorganisationen im Gefängnis landen, dass Versammlungen schlicht verboten werden. Das sind grundsätzliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit, gegen die wir mit unseren Partnern vor Ort kämpfen. Demokratie und Freiheit sind Grundwerte, die man wahrscheinlich erst in einem undemokratischen und unfreien Umfeld wirklich schätzen lernt.
Zur Meinungsfreiheit gehört aber auch, dass man sich vor Diskussionen nicht versteckt. Angela Merkel hat vollkommen zu recht Kurt Westergaard für seinen Beitrag zur Meinungsfreiheit geehrt. Es ist nicht hinnehmbar, wenn aus religiöser Intoleranz die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Nur dabei ist es mir egal, ob es die katholische Kirche bei „Popetown“ (einer relativ schlechten Fernsehserie, an die sich heute wahrscheinlich kaum ein Mensch erinnert) oder Muslime bei Muhammed-Karikaturen sind: Die damalige Idee, ein „Malen nach Zahlen“ als Reaktion aus den kritisierten Motiven im Mitgliedermagazin j+l zu machen, habe ich durchaus richtig gefunden. Nur: Man kann für die Meinungsfreiheit streiten und trotzdem die inhaltlichen Positionen ablehnen.
Ich fand „Popetown“ dumm und teile Sarrazins Äußerungen nicht, trotzdem würde ich immer dafür kämpfen, dass ein solches Buch oder eine solche Ramsch-Serie erscheinen dürfen.
Allerdings ist das für mich eine Selbstverständlichkeit in einem demokratischen und toleranten Staat wie Deutschland. Und NEIN: Ich muss nicht in einem Blogeintrag über Sarrazin etwas zu Meinungsfreiheit sagen, wenn ich seine Aussagen kritisiere. Aber ich käme ja auch nicht auf die Idee, wenn ich in einer Pressemitteilung die Jusos für unsinnige Forderungen zum Mindestlohn kritisiere, dahinter zu schreiben „Aber ich respektiere natürlich, dass die Jusos eine andere Meinung haben.“
Das ist selbstverständlich. Oder sollte es zumindest sein.
Deshalb sollten wir uns auf den wirklichen Schutz der Meinungsfreiheit zurückbesinnen. Die Gefährdung war zum Beispiel nach den Westergaard-Karikaturen da. Und sie ist – wie ich am Wochenende wieder vor Augen geführt bekommen habe – in vielen Ländern der Welt weitaus kritischer. Deshalb müssen wir bei uns selbst, aber auch bei anderen für das Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen.
Ich freue mich durchaus über jede E-Mail, die ich dazu bekomme – gerade nach der Kritik an den Seehofer-Äußerungen vom Wochenende – allerdings gehört zur Meinungsfreiheit auch ein Verzicht auf verbale oder reale Gewalt und deren Androhung gegen Leute, die nicht die gleiche Meinung haben … nur so als kleine Ermahnung an manchen wutschnaubenden E-Mail-Verfasser der letzten Tage.