Lotusblume statt Wasserpest

Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung zu den Kommentaren von Daniela Kuhr und Heribert Prantl:

Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion der Süddeutschen Zeitung,

lotusblumeIhr Kollege Heribert Prantl verglich die FDP mit der „Wasserpest“, weil sie ihr „neoliberales“ politisches Programm überall verbreiten wolle.  Damit tut Herr Prantl uns – sicherlich ungewollt – den Gefallen, den fundamentalen Unterschied zwischen seiner Weltsicht und einer liberalen direkt in seinem Kommentar mitzuliefern: Anders als Herr Prantl, der in seinem Artikel mit absoluter Selbstverständlichkeit Behauptungen darüber aufstellt, was „die Bürger“ wollen und was nicht, sind wir Liberale fest davon überzeugt, dass nur einer am besten weiß, was „der Bürger“ will: „Der Bürger“ selbst.

Aufgrund dieser Freiheitsliebe fordern wir Jungen Liberalen die Abschaffung des Ehegattensplittings. Gebraucht wird stattdessen ein Modell, in dem die steuerlichen Grundfreibeträge aller Familienmitglieder flexibel von denjenigen in Anspruch genommen werden können, die die Familien unterhalten.  Eine bessere Begründung für diese Forderung, als sie Ihre Kollegin Daniela Kuhr nicht einmal einen Monat nach Herrn Prantls Artikel in ihrem Kommentar liefert, hätten wir kaum bieten können. Wird die Süddeutsche jetzt etwa langsam zur „Wasserpest“ oder haben Sie dazugelernt? Es scheint schon sehr doppelzüngig, dass Sie sich einerseits in ihrem Kommentar „Ehegattensplitting – Weg damit!“ selbst modern und liberal geben, inhaltlich sogar eine Forderung der Jungen Liberalen aufgreifen, und dennoch der einzigen liberalen Partei, der FDP, anlasten, die „Wasserpest“ zu sein.

Wenn Sie bereit wären, auch Wassergewächsen Blüten zuzugestehen, würde Sie vielleicht der nächsten Schritt jungliberaler Politik interessieren: Ausgehend von der Individualbesteuerung kann man, wenn man bereit ist, außerhalb der bestehender Schranken zu denken, auch ein Lebensmodell unterstützen, das darauf baut, dass Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen – unabhängig von Verwandtschaft oder sexueller Beziehung: die Verantwortungsgemeinschaft. Wenn zwei ältere Damen und drei ältere Herren in einer Seniorengemeinschaft füreinander da sind und gegenseitig dafür sorgen, dass keiner von ihnen in ein Altersheim muss, ist das nicht weniger wert als eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eine „klassische“ Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern – die heute ohnehin nicht mehr die Lebensrealität vieler Menschen darstellt. Vielleicht stellen Sie beim zweiten Blick fest, dass das was Heribert Prantl irrtümlich für die „Wasserpest“ hielt, beim genauen Hinschauen eine Lotusblume ist.

 

Mit besten Grüßen

Ihr Lasse Becker
Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen